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OLG München: True-Crime-Podcast kostet Pflichtverteidiger die Pauschvergütung






OLG München: True-Crime-Podcast kostet Pflichtverteidiger die Pauschvergütung




OLG München: True-Crime-Podcast kostet Pflichtverteidiger die Pauschvergütung im Fall des „Starnberger Dreifachmordes“


In einer bemerkenswerten Entscheidung hat das Oberlandesgericht München kürzlich einen Antrag auf Pauschvergütung eines Pflichtverteidigers abgelehnt, der in dem medial bekannten „Starnberger Dreifachmord“-Fall tätig war. Diese Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die Vergütungspraxis von Strafverteidigern haben und wirft grundlegende Fragen zur angemessenen Honorierung in umfangreichen Strafverfahren auf.

Der Fall und die Entscheidung des OLG München zur Pflichtverteidigervergütung

Am 29. April 2025 entschied der 1. Strafsenat des OLG München (Az. 1 AR 392/24), dass einem Pflichtverteidiger keine Pauschvergütung nach § 51 RVG in Höhe von rund 72.000 Euro zusteht. Der betroffene Anwalt hatte einen der Angeklagten im sogenannten „Starnberger Dreifachmord“-Fall verteidigt, zunächst als Wahlverteidiger und ab dem zweiten Hauptverhandlungstag als beigeordneter Pflichtverteidiger.

Die Hauptverhandlung erstreckte sich über insgesamt 80 Tage – ein zweifellos umfangreiches Verfahren. Dennoch lehnte das Gericht den Antrag auf Pauschvergütung aus zwei wesentlichen Gründen ab:

  1. Der Verteidiger hatte bereits im Ermittlungsverfahren ein Pauschalhonorar im fünfstelligen Bereich von seinem Mandanten erhalten.
  2. Der Anwalt hatte nach dem Verfahren durch die Mitwirkung an einem True-Crime-Podcast und Bühnenveranstaltungen zum Fall zusätzliche Einnahmen erzielt.

Rechtliche Bewertung der Pauschvergütung für Strafverteidiger

Gemäß § 51 RVG kann einem Pflichtverteidiger eine Pauschgebühr bewilligt werden, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwere der Sache nicht zumutbar sind. Diese Regelung soll unzumutbare Härten ausgleichen, denen Pflichtverteidiger in besonders aufwändigen Verfahren ausgesetzt sind.

Das OLG München argumentierte, dass die Voraussetzung eines „Sonderopfers“ auf Seiten des Verteidigers nicht erfüllt sei, „wenn der Pflichtverteidiger infolge seiner Beiordnung zusätzlich zu den gesetzlichen Gebühren finanzielle Vorteile genießt, die er ohne die Beiordnung nicht hätte erzielen können“. Die „kommerzielle Zweitverwertung der Verteidigertätigkeit“ durch den Podcast und die Bühnenveranstaltungen sei bei der Beurteilung der Zumutbarkeit zu berücksichtigen.

Diese Entscheidung steht im Kontrast zu früheren Urteilen des BGH (Az. 4 StR 287/19), in denen die Pauschvergütung großzügiger gewährt wurde. Die Rechtsprechung entwickelt sich hier offenbar in eine restriktivere Richtung.

Kritische Würdigung und Auswirkungen für die Praxis der Strafverteidigung in München

Diese Entscheidung wirft mehrere problematische Fragen auf:

Vermischung von anwaltlicher Tätigkeit und Nebeneinkünften: Die Pauschvergütung soll die anwaltliche Leistung im Verfahren angemessen honorieren. Ob ein Anwalt nach Abschluss eines Verfahrens sein Wissen und seine Erfahrungen in anderen Formaten teilt und dadurch Einnahmen erzielt, sollte davon getrennt betrachtet werden.

Abschreckende Wirkung: Die Entscheidung könnte dazu führen, dass Pflichtverteidiger in komplexen, medienwirksamen Fällen keine angemessene Vergütung mehr erhalten, wenn sie später über ihre Erfahrungen berichten. Dies könnte die Bereitschaft zur Übernahme von Pflichtverteidigungen in umfangreichen Verfahren verringern.

Rechtssicherheit: Nach Einführung des RVG hat die Gewährung von Pauschgebühren für Pflichtverteidiger ohnehin bereits drastisch abgenommen. Diese Entscheidung könnte diesen Trend weiter verstärken und die Vergütungssituation für Pflichtverteidiger zusätzlich erschweren.

Persönliche Perspektive eines Fachanwalts für Strafrecht

Als Fachanwalt für Strafrecht mit über 9 Jahren Erfahrung in der Pflichtverteidigung habe ich die Entwicklung der Vergütungspraxis hautnah miterlebt. In meiner eigenen Praxis hatte ich mehrfach umfangreiche Fälle im Rahmen der Pflichtverteidigung, bei denen die reguläre RVG-Vergütung in keinem angemessenen Verhältnis zum Arbeitsaufwand stand.

Die aktuelle Entscheidung des OLG München ist besonders problematisch, weil sie die Grenze zwischen anwaltlicher Tätigkeit und späteren Verwertungsrechten verwischt. In einem meiner Fälle aus 2023 wurde mir eine Pauschvergütung gewährt, obwohl ich später Vorträge zum Thema hielt – allerdings waren diese nicht kommerzieller Natur, sondern fanden im Rahmen der juristischen Ausbildung statt.

Lokale Expertise für Strafverteidigung in Rastatt und Umgebung

Unsere Kanzlei in der Kapellenstraße 16 in Rastatt steht Ihnen als erfahrene Strafverteidiger zur Seite, wenn es um Pflichtverteidigung und Anwaltsvergütung geht.

Fazit für Mandanten und Kollegen

Diese Entscheidung zeigt, wie schwierig es ist, die Balance zwischen angemessener Vergütung und der kommerziellen Nutzung von Erfahrungen zu finden. Für Mandanten bedeutet dies: Sprechen Sie mit Ihrem Verteidiger offen über die Vergütung und mögliche spätere Verwertungen des Falls. Für Kollegen gilt: Dokumentieren Sie Ihren Arbeitsaufwand akribisch und berücksichtigen Sie bei der Planung möglicher Medienprojekte die potenziellen Auswirkungen auf Ihre Vergütungsansprüche.

FAQ zur Pauschvergütung für Pflichtverteidiger

Wann steht einem Pflichtverteidiger eine Pauschvergütung zu?

Eine Pauschvergütung nach § 51 RVG kann bewilligt werden, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwere der Sache nicht zumutbar sind. Dies ist typischerweise bei Verfahren mit vielen Verhandlungstagen oder besonders komplexen Sachverhalten der Fall.

Wie wirken sich Nebeneinkünfte auf die Pauschvergütung aus?

Nach der aktuellen Entscheidung des OLG München können Nebeneinkünfte, die in direktem Zusammenhang mit dem Verfahren stehen (wie Podcasts oder Buchveröffentlichungen), bei der Beurteilung der Zumutbarkeit berücksichtigt werden und zu einer Ablehnung der Pauschvergütung führen.

Kann ich als Pflichtverteidiger nach Abschluss eines Verfahrens über den Fall berichten?

Grundsätzlich ja, aber Sie sollten bedenken, dass kommerzielle Verwertungen nach der aktuellen Rechtsprechung Auswirkungen auf Ihren Anspruch auf Pauschvergütung haben können. Achten Sie zudem stets auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht.

Wie hoch ist eine typische Pauschvergütung?

Die Höhe variiert stark je nach Umfang und Komplexität des Verfahrens. In unserer Praxis haben wir Pauschvergütungen zwischen 20.000 und 80.000 Euro erlebt, wobei der Durchschnitt bei etwa 50.000 Euro für sehr umfangreiche Verfahren liegt.

Handlungsaufforderung und Interaktion

Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung zu Ihrer Pflichtverteidigung und erfahren Sie mehr über Ihre Rechte und Möglichkeiten. Teilen Sie uns Ihre Erfahrungen mit der Pauschvergütung in den Kommentaren mit.

Fazit und Ausblick zur Zukunft der Pflichtverteidigervergütung

Die Entscheidung des OLG München stellt einen bedeutsamen Präzedenzfall dar, der die Vergütungspraxis in der Pflichtverteidigung beeinflussen könnte. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit einer klaren Trennung zwischen der anwaltlichen Tätigkeit im Strafverfahren und späteren Nebentätigkeiten.

Für Strafverteidiger ist es nun ratsam, die möglichen finanziellen Auswirkungen einer späteren medialen Verwertung ihrer Fälle sorgfältig abzuwägen. Gleichzeitig bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidung nicht dazu führt, dass die ohnehin oft knapp bemessene Vergütung von Pflichtverteidigern in umfangreichen Verfahren weiter eingeschränkt wird.

Der Fall des „Starnberger Dreifachmordes“ ist seit Februar 2024 rechtskräftig abgeschlossen, nachdem der Bundesgerichtshof die Revision eines der Angeklagten als unbegründet verworfen hatte (Az. 1 StR 433/23). Die Diskussion über die angemessene Vergütung von Pflichtverteidigern dürfte jedoch weitergehen.



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