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Cannabis-Stecklinge Strafrecht | Rechtsanwalt Lott erklärt Rechtslage




























Cannabis-Stecklinge und Strafrecht: Sind eingepflanzte Jungpflanzen bereits Cannabis im Sinne des Gesetzes?

📅 Veröffentlicht: 25. Oktober 2025
✍️ Autor: Rechtsanwalt Marco Lott
🕒 Lesezeit: 8 Minuten
🏷️ Kategorie: Strafrecht

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Cannabis-Stecklinge im rechtlichen Graubereich: Wann beginnt die Strafbarkeit?

Einleitung: Eine Frage mit erheblicher Tragweite für Hobbygärtner und Cannabis-Anbauer

Seit Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) am 1. April 2024 dürfen Erwachsene in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen Cannabis-Pflanzen für den Eigenkonsum anbauen. Was auf den ersten Blick klar geregelt erscheint, hat sich in der Praxis als hochproblematisch erwiesen: Wann genau wird aus einem erlaubten Cannabis-Steckling strafbares Cannabis?

Diese scheinbar technische Frage hat für Betroffene dramatische Konsequenzen – von Ermittlungsverfahren bis hin zu strafrechtlichen Verurteilungen. Als Rechtsanwalt Marco Lott auf dem Gebiet des Strafrechts verfolge ich diese Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit. Die aktuelle Rechtslage wirft grundlegende Fragen des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots auf und betrifft Tausende Menschen, die in gutem Glauben Cannabis-Stecklinge erworben oder weitergegeben haben.

Auf www.rechtsanwalt-lott.de informiere ich Sie über die rechtlichen Hintergründe dieser BGH-Entscheidung und erläutere, warum nach meiner Auffassung Cannabis-Stecklinge auch nach dem Einpflanzen nicht automatisch zu strafbarem Cannabis werden. Es handelt sich dabei um meine persönliche Rechtsauffassung als spezialisierter Strafverteidiger – andere Stimmen in Rechtsprechung und Literatur kommen durchaus zu abweichenden Ergebnissen.

Die Ausgangslage: Was sagt das Konsumcannabisgesetz zu Stecklingen?

Das Konsumcannabisgesetz enthält in § 1 klare Definitionen, die für die rechtliche Beurteilung entscheidend sind. Nach § 1 Nr. 6 KCanG sind Stecklinge definiert als:

„Jungpflanzen oder Sprossteile von Cannabispflanzen, die zur Anzucht von Cannabispflanzen verwendet werden sollen und über keine Blütenstände oder Fruchtstände verfügen“

Diese Stecklinge werden ausdrücklich dem Vermehrungsmaterial zugeordnet (§ 1 Nr. 7 KCanG). Das Entscheidende: Vermehrungsmaterial fällt gemäß § 1 Nr. 8 lit. c KCanG nicht unter den Cannabis-Begriff des Gesetzes. Diese systematische Ausnahme ist rechtlich eindeutig und bewusst vom Gesetzgeber geschaffen worden.

In der Praxis bedeutet dies: Solange eine Cannabis-Jungpflanze die Kriterien eines Stecklings erfüllt – also keine Blüten- oder Fruchtstände aufweist und zur weiteren Anzucht bestimmt ist – sollte sie rechtlich nicht als Cannabis im Sinne des Strafrechts gelten.

Die Kontroverse: BGH-Rechtsprechung und der Begriff des „Setzlings“

Die rechtliche Unsicherheit entstand durch die Verwendung des Begriffs „Setzling“ in Kommentierungen und ersten Gerichtsentscheidungen im Strafrecht. Der Bundesgerichtshof stellte in seinem Beschluss vom 4. November 2024 (2 StR 441/24) fest, dass „eingepflanzte Setzlinge“ – im Gegensatz zu Stecklingen – unter den Cannabis-Begriff fallen sollen.

Das Problem: Ein nicht definierter Begriff

Der Begriff „Setzling“ ist im Konsumcannabisgesetz nicht legal definiert. Es existiert keine gesetzliche Festlegung, wann genau ein Steckling zum Setzling wird und damit zu strafbarem Cannabis.

In der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, Stecklinge würden „mit dem Einpflanzen zum Setzling“. Diese Formulierung wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet:

  • Was bedeutet „Einpflanzen“ genau?
  • Reicht das Einsetzen in einen kleinen Anzuchttopf?
  • Muss die Pflanze in ihrem endgültigen Kultivierungsgefäß stehen?
  • Ist das Einbringen in Steinwolle oder andere Substrate bereits „Einpflanzen“?
⚠️ Rechtsunsicherheit: Der 3. Strafsenat des BGH ging im Anfragebeschluss vom 27. November 2024 (3 StR 25/24) noch weiter: Bereits in Pflanzmulden eingebettete Jungpflanzen seien „eingepflanzte Setzlinge“ und damit Cannabis – selbst wenn sie noch zum späteren Umtopfen vorgesehen waren.

Rechtsanwalt Lotts Auffassung: Stecklinge bleiben Vermehrungsmaterial

Nach meiner Auffassung als Strafverteidiger ist diese Auslegung rechtlich höchst problematisch und verstößt gegen fundamentale Grundsätze des Strafrechts. Ich vertrete die Position, dass Cannabis-Stecklinge auch nach dem Einpflanzen in Anzuchtgefäße rechtlich weiterhin als Vermehrungsmaterial zu qualifizieren sind, solange sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.

Diese Rechtsauffassung stützt sich auf gewichtige Argumente:

1. Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG)

Das Grundgesetz verlangt, dass Straftatbestände so konkret formuliert sein müssen, dass der Bürger im Voraus erkennen kann, welches Verhalten strafbar ist. Die Verwendung eines nicht legal definierten Begriffs („Setzling“) zur Begründung von Strafbarkeit ist mit diesem verfassungsrechtlichen Gebot kaum vereinbar.

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont: Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger Auslegung. Wenn der Begriff „eingepflanzter Setzling“ keine Verankerung in der gesetzlichen Definition findet, kann er nicht zur Strafbegründung herangezogen werden.

2. Das strafrechtliche Analogieverbot

Eng verbunden mit dem Bestimmtheitsgebot ist das Analogieverbot im Strafrecht. Es verbietet die Ausdehnung von Strafbarkeit über den erkennbaren Gesetzeswortlaut hinaus. Die Heranziehung eines gesetzlich nicht definierten Begriffs, um die ausdrückliche Ausnahme für Vermehrungsmaterial zu umgehen, kommt einer unzulässigen Analogie gefährlich nahe.

3. Systematische Auslegung des Gesetzes

Der Gesetzgeber hat Stecklinge als Vermehrungsmaterial bewusst und ausdrücklich vom Cannabis-Begriff ausgenommen (§ 1 Nr. 8 lit. c KCanG). Diese Ausnahme würde weitgehend leeraufen, wenn bereits das Einsetzen in einen Anzuchttopf zur Strafbarkeit führte.

Eine systematische Auslegung spricht dafür, dass Jungpflanzen erst dann zu Cannabis werden, wenn sie in ihrem endgültigen Kultivierungsgefäß oder Standort eingepflanzt sind.

4. Widerspruch zur früheren BtMG-Rechtsprechung

Unter der früheren Betäubungsmittelgesetz-Rechtsprechung hatte der BGH entschieden, dass der Anbau erst mit dem Einpflanzen in die für die Kultivierung bestimmten Gefäße vollendet ist (BGH, Beschl. v. 27.5.2021 – 5 StR 337/20).

Diese bewährte Rechtsprechung wird durch die neue Auslegung ohne überzeugende Begründung aufgegeben.

5. Gartenbauliche Fachsprache

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) hat in einem ausführlichen Positionspapier dargelegt, dass nach gartenbaulicher Fachsprache Jungpflanzen erst dann zu „Setzlingen“ im eigentlichen Sinne werden, wenn sie „im Freiland an seinem endgültigen Standort der Kultivierung oder im Endtopf“ stehen.

Diese fachliche Sichtweise sollte bei der Auslegung eines Gesetzes berücksichtigt werden, das gartenbauliche Tätigkeiten regelt.

Aktuelle Rechtsprechung: Uneinheitliche Gerichtsentscheidungen im Strafrecht

Die Rechtsprechung ist derzeit uneinheitlich. Das Amtsgericht Halle verurteilte in einem vielbeachteten Fall eine Angeklagte, die 117 Stecklinge besaß. Gegen dieses Urteil im Strafrecht wurde Revision eingelegt, um die grundsätzliche Rechtsfrage höchstrichterlich klären zu lassen.

Der Deutsche Hanfverband finanziert gezielt Revisionsverfahren, um Klarheit zu schaffen. Dies unterstreicht die erhebliche rechtliche Unsicherheit, die derzeit besteht.

Es existieren durchaus anderweite Auffassungen in der Kommentarliteratur, insbesondere bei Patzak/Fabricius, die argumentieren, Stecklinge würden mit dem Einpflanzen zum Setzling und unterfallen dann dem Cannabis-Begriff. Diese Position wird von mehreren Kommentatoren geteilt.

Die endgültige Klärung der Rechtsfrage steht noch aus und wird voraussichtlich durch höchstrichterliche Rechtsprechung erfolgen müssen.

Praktische Konsequenzen und Handlungsempfehlungen für Betroffene

Für Sie als Betroffene ergeben sich aus der dargestellten Rechtslage wichtige Konsequenzen:

Bei Cannabis-Stecklingen im Besitz

Die bloße Vermutung, eingepflanzte Jungpflanzen seien automatisch strafbares Cannabis, sollte Sie nicht davon abhalten, sich gegen ungerechtfertigte Vorwürfe zu wehren. Es bestehen gewichtige rechtliche Argumente dafür, dass Stecklinge auch nach dem Einpflanzen in Anzuchtgefäße rechtlich privilegiert bleiben.

Bei laufenden Ermittlungsverfahren

Sollten Sie von Ermittlungsverfahren wegen des Umgangs mit Cannabis-Stecklingen betroffen sein, ist eine frühzeitige anwaltliche Beratung essentiell. Die Rechtsfrage ist hochkomplex und die Gerichte urteilen unterschiedlich. Ein versierter Strafverteidiger kann die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Strafbarkeit geltend machen.

Dokumentation ist wichtig

Falls Sie Stecklinge erwerben oder weitergeben, dokumentieren Sie:

  • Dass es sich um Jungpflanzen ohne Blüten- oder Fruchtstände handelt
  • Dass die Pflanzen zur weiteren Anzucht bestimmt sind
  • Bewahren Sie Kaufbelege und Produktbeschreibungen auf

Vorsicht bei der Pflanzenanzahl

⚠️ Wichtig: Unabhängig von der Stecklingsfrage gilt: Beachten Sie die gesetzlichen Höchstgrenzen für den Eigenanbau. Das KCanG erlaubt pro Person maximal drei ausgewachsene Cannabis-Pflanzen. Die Überschreitung dieser Grenzen kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Bei Hausdurchsuchungen

Sollte es zu einer Durchsuchung kommen:

  • ✓ Machen Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch
  • ✓ Kontaktieren Sie umgehend einen Strafverteidiger
  • ✓ Geben Sie nur Ihre Personalien an
  • ✓ Vermeiden Sie spontane Erklärungsversuche

Fazit: Rechtsklarheit ist dringend erforderlich

Die derzeitige Rechtsunsicherheit bezüglich Cannabis-Stecklingen ist für alle Beteiligten unbefriedigend. Nach meiner Überzeugung als Rechtsanwalt Marco Lott sprechen die besseren Argumente dafür, dass Stecklinge als Vermehrungsmaterial auch nach dem Einpflanzen in Anzuchtgefäße nicht unter den Cannabis-Begriff fallen.

Die systematische Auslegung des Konsumcannabisgesetzes, das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot und das strafrechtliche Analogieverbot stützen diese Auffassung.

Auf www.rechtsanwalt-lott.de verfolge ich diese Entwicklungen für Sie und berate Mandanten umfassend zu allen Fragestellungen rund um das Konsumcannabisgesetz und strafrechtliche Ermittlungsverfahren.

Jetzt beraten lassen

Sie sind von Ermittlungen im Zusammenhang mit Cannabis-Stecklingen betroffen? Sie haben eine Hausdurchsuchung erlebt oder einen Strafbefehl erhalten? Oder Sie möchten sich präventiv über Ihre Rechte und Pflichten nach dem neuen Konsumcannabisgesetz informieren?

Als erfahrener Strafverteidiger stehe ich Ihnen mit fundierter Beratung zur Seite. Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Marco Lott für eine persönliche Besprechung Ihres Falls.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Cannabis-Stecklingen im Strafrecht

Was ist der Unterschied zwischen einem Steckling und Cannabis nach dem KCanG?

Nach dem Konsumcannabisgesetz sind Stecklinge Jungpflanzen oder Sprossteile ohne Blüten- oder Fruchtstände, die zur Anzucht verwendet werden sollen. Sie gelten als Vermehrungsmaterial und fallen ausdrücklich nicht unter den Cannabis-Begriff des § 1 Nr. 8 KCanG.

Cannabis hingegen umfasst nach der gesetzlichen Definition die Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen – mit Ausnahme des Vermehrungsmaterials.

Die praktische Abgrenzung ist derzeit umstritten: Während einige Stimmen argumentieren, bereits das Einpflanzen in Anzuchtgefäße mache aus Stecklingen Cannabis, vertritt die hier dargestellte Auffassung, dass die gesetzliche Privilegierung solange gilt, wie die Voraussetzungen erfüllt sind (keine Blüten, zur Anzucht bestimmt).

Darf ich Cannabis-Stecklinge kaufen und besitzen?

Grundsätzlich ja. Das Konsumcannabisgesetz verbietet den Besitz von Stecklingen als Vermehrungsmaterial nicht. Problematisch ist jedoch die in der Praxis aufgeworfene Frage, ab wann ein Steckling zum strafbaren Cannabis wird.

Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung bleiben Stecklinge auch nach dem Einpflanzen in Anzuchtgefäße rechtlich privilegiert, solange sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.

Beachten Sie aber: Sobald Sie aus den Stecklingen Cannabis-Pflanzen ziehen, gelten die Höchstgrenzen des KCanG (maximal drei ausgewachsene Pflanzen pro Person für den Eigenanbau). Der Erwerb von Stecklingen zu anderen Zwecken als dem eigenen zulässigen Anbau kann strafrechtlich relevant werden.

Was droht mir strafrechtlich, wenn ich zu viele Cannabis-Pflanzen anbaue?

Der illegale Anbau von Cannabis – also über die gesetzlich erlaubten Grenzen hinaus oder ohne die erforderlichen Voraussetzungen – ist nach dem KCanG strafbar. Die Strafrahmen hängen von der Menge und den Umständen ab:

Grundtatbestand: Der unerlaubte Anbau von Cannabis kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden.

Besonders schwere Fälle: Beim Handeltreiben in nicht geringer Menge oder beim gewerbsmäßigen Anbau drohen Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Wichtig: Bei der Frage, ob die Mengengrenzen überschritten sind, kommt es auf die genaue Zählung der Pflanzen an. Die aktuelle Rechtsunsicherheit bezüglich der Stecklinge kann dabei eine Rolle spielen – sind eingepflanzte Jungpflanzen mitzuzählen oder nicht? Diese Frage sollte in jedem Einzelfall anwaltlich geprüft werden.

Muss ich bei einer Hausdurchsuchung wegen Cannabis-Stecklingen aussagen?

Nein, Sie haben das Recht zu schweigen. Von diesem Recht sollten Sie auch unbedingt Gebrauch machen. Gerade bei der derzeit ungeklärten Rechtslage bezüglich Cannabis-Stecklingen können spontane Aussagen Ihre Position erheblich verschlechtern.

Wenn Polizei oder Staatsanwaltschaft bei Ihnen erscheinen:

  • ✓ Bleiben Sie höflich, aber machen Sie keine inhaltlichen Angaben zur Sache
  • ✓ Geben Sie lediglich Ihre Personalien an
  • ✓ Weisen Sie auf Ihr Schweigerecht hin
  • ✓ Kontaktieren Sie umgehend einen Strafverteidiger

Ihr Anwalt kann dann nach Akteneinsicht eine fundierte Verteidigungsstrategie entwickeln und entscheiden, ob und welche Angaben sinnvoll sind. Das Schweigerecht ist kein Schuldeingeständnis, sondern ein Grundrecht, das Sie schützen soll.

Was bedeutet das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot für die Stecklingsfrage?

Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot ist in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz verankert und besagt: „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“

Dies bedeutet, dass Straftatbestände so konkret formuliert sein müssen, dass der Bürger im Voraus erkennen kann, welches Verhalten strafbar ist.

Für die Stecklingsfrage ist dies hochrelevant: Wenn der Begriff „Setzling“ im Gesetz nicht definiert ist und auch nicht klar ist, ab wann genau ein Steckling zum strafbaren Cannabis wird, ist fraglich, ob die Strafbarkeit hinreichend bestimmt ist.

Nach der hier vertretenen Auffassung spricht das Bestimmtheitsgebot dafür, dass die gesetzliche Definition (Stecklinge als privilegiertes Vermehrungsmaterial) ernst genommen werden muss und nicht durch unbestimmte Begriffe ausgehöhlt werden darf.

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass der Gesetzgeber im Strafrecht besonders präzise sein muss. Eine Strafbegründung durch Heranziehung nicht-gesetzlicher Begriffe ist verfassungsrechtlich bedenklich.

Wie unterscheidet sich die neue Rechtslage von der früheren BtMG-Rechtsprechung?

Unter dem alten Betäubungsmittelgesetz (BtMG) hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Anbau von Cannabis erst mit dem Einpflanzen in die für die endgültige Kultivierung bestimmten Gefäße vollendet ist (BGH, Beschl. v. 27.5.2021 – 5 StR 337/20).

Dies bedeutete: Solange sich Jungpflanzen noch in Anzuchttöpfen befanden und zum späteren Umsetzen vorgesehen waren, galt der Anbau noch nicht als vollendet.

Die aktuelle Diskussion unter dem KCanG weicht davon ab: Der BGH hat in jüngeren Entscheidungen angedeutet, bereits in Anzuchtgefäßen befindliche Jungpflanzen könnten als Cannabis gelten. Dies stellt einen Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung dar und ist dogmatisch schwer zu begründen.

Nach der hier vertretenen Auffassung sollte die bewährte BtMG-Rechtsprechung auch unter dem neuen Recht als Auslegungshilfe dienen. Zumal das KCanG mit der ausdrücklichen Privilegierung von Vermehrungsmaterial sogar noch großzügiger formuliert ist als das alte BtMG.

Was sollte ich tun, wenn ich einen Strafbefehl wegen Cannabis-Stecklingen erhalten habe?

Legen Sie nicht sofort Einspruch ein, sondern konsultieren Sie zunächst einen Strafverteidiger. Sie haben zwei Wochen Zeit, um gegen einen Strafbefehl Einspruch einzulegen. Diese Zeit sollten Sie für eine fundierte rechtliche Beratung nutzen.

Ein Strafverteidiger wird:

  • ✓ Den Strafbefehl auf rechtliche Fehler prüfen
  • ✓ Die Erfolgsaussichten eines Einspruchs bewerten
  • ✓ Die Beweislage analysieren
  • ✓ Mit Ihnen die prozessualen Optionen besprechen

Gerade bei der Stecklingsfrage bestehen erhebliche rechtliche Zweifel an der Strafbarkeit. Ein pauschales Akzeptieren des Strafbefehls könnte daher falsch sein. Andererseits birgt ein Einspruch auch Risiken (etwa eine höhere Strafe im Hauptverfahren), die individuell abzuwägen sind.

Wichtig: Die Einspruchsfrist läuft ab Zustellung des Strafbefehls. Versäumen Sie diese Frist, wird der Strafbefehl rechtskräftig und Sie sind vorbestraft.

Wie ist die Rechtslage bei Anbauvereinigungen nach dem KCanG?

Das Konsumcannabisgesetz erlaubt seit dem 1. Juli 2024 sogenannte Anbauvereinigungen. Diese dürfen Cannabis gemeinschaftlich anbauen und an ihre Mitglieder zur Weitergabe abgeben. Auch hier spielt die Stecklingsfrage eine Rolle:

Dürfen Anbauvereinigungen Stecklinge an Mitglieder abgeben? Und ab wann würde dies als Abgabe von Cannabis gelten?

Nach dem Gesetz ist die Weitergabe von Vermehrungsmaterial (also Stecklingen) an Mitglieder grundsätzlich erlaubt (§ 11 KCanG). Die Abgabe soll allerdings auf sieben Cannabissamen oder fünf Stecklinge pro Monat und Mitglied beschränkt sein.

Die praktische Umsetzung ist jedoch unklar, solange nicht geklärt ist, wann genau ein Steckling zum Cannabis wird. Anbauvereinigungen bewegen sich derzeit in einer rechtlichen Grauzone und sollten anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen und strafrechtliche Risiken zu minimieren.

Gibt es bereits höchstrichterliche Rechtsprechung zur Stecklingsfrage?

Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist derzeit noch im Fluss. Der Bundesgerichtshof hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Thematik befasst:

BGH, Beschluss vom 4. November 2024 (2 StR 441/24):
Der BGH stellte fest, dass „eingepflanzte Setzlinge“ – im Gegensatz zu Stecklingen – unter den Cannabis-Begriff fallen sollen.

BGH, Anfragebeschluss vom 27. November 2024 (3 StR 25/24):
Der 3. Strafsenat ging noch weiter und vertrat, bereits in Pflanzmulden eingebettete Jungpflanzen seien „eingepflanzte Setzlinge“.

Wichtig: Diese Entscheidungen sind noch nicht abschließend. Derzeit laufen mehrere Revisionsverfahren, die vom Deutschen Hanfverband finanziert werden, um die Rechtsfrage grundsätzlich klären zu lassen.

Die endgültige höchstrichterliche Klärung steht noch aus. Bis dahin besteht erhebliche Rechtsunsicherheit, was für Betroffene bedeutet: Eine qualifizierte anwaltliche Beratung ist unerlässlich, um die individuellen Risiken einzuschätzen und die bestmögliche Verteidigungsstrategie zu entwickeln.

Über den Autor

Rechtsanwalt Marco Lott Strafrecht Cannabis Spezialist

Rechtsanwalt Marco Lott ist spezialisiert auf Strafrecht mit Schwerpunkt auf Betäubungsmitteldelikten und dem neuen Konsumcannabisgesetz. Mit fundierter Expertise in komplexen Strafverfahren vertritt er Mandanten bundesweit in allen Phasen des Ermittlungs- und Strafverfahrens.

Seine Kanzlei finden Sie unter www.rechtsanwalt-lott.de.


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